Sternerestaurants
wecken bei den Gästen immer wieder Erwartungen und produzieren natürlich dann auch zwangsläufig Enttäuschungen. Der Besuch der 14-köpfigen kochen & mehr Tafelrunde im Sternerestaurant Kin Dee
gefiel, hinterließ aus verschiedenen Gründen bei manchen Gästen aber auch ein paar zwiespältige Gefühle. Allgemein kann man der Bewertung durch den Michelin Tester folgen, der schreibt
„Das geradlinig-freundliche Restaurant wird seinem Namen ("Kin Dee" bedeutet "gut essen") voll und ganz gerecht. Gekocht wird authentisch thailändisch. Dabei setzt man auf ausgezeichnete
lokale Produkte und kombiniert sie überaus gekonnt mit den Aromen Thailands. Dazu sehr aufmerksamer Service.“
Tatsächlich köstlich der Kin Dee Kaprao Oktopus, die gegrillten Schweinenackenscheiben mit pikantem Früchte Dip, die hausgemachten Saucen und Pasten und die gute Getränkeauswahl. Die über allen Gerichten schwebende Schärfe ist bekömmlich, aber auch nicht jedermanns Geschmack. Das Versprechen der Bedienung, der Nachtisch sei eine Überraschung, wurde eingehalten: Eine sechzehntel Birne mit einem halben Teelöffel Kekskrokant hatte ich nicht erwartet und ließ die meisten ein wenig betrübt zurück.
Erstaunlich der Menüpreis von 65.- Euro (Weinbegleitung 32.- Euro), so dass das Kin Dee wohl zu den günstigsten Sternerestaurants in Deutschland zählt. Bemerkenswert auch das Engagement der jungen Autodidaktin Dalad Kambhu, die sich für eine authentische thailändische Küche einsetzt, wie sie aus ihrer Kindheit in Thailand kennt. Sie fördert die Nachhaltigkeit, Regionalität und Saisonalität und kauft zum Beispiel Produkte u.a. in der Markthalle IX und Müritzhof ein. Engagement zeigt sie auch bei Fragen gerechter Bezahlung und Arbeitsverhältnis der Köche sowie der Rolle der Frau in den männlich dominierten Küchen. Grund genug für die Gäste tatsächlich mal über den Tellerrand hinauszublicken und die Komplexität eines gastronomischen Angebotes zu erfassen.
Es kann dann aber auch diskutiert werden, ob die zunehmend praktizierte und wohl eher auf betriebswirtschaftlichen Gründen basierende Serviceart „family style“ neue Gemütlichkeit schafft oder nur zu unschönen Diskussionen führt, wie denn 5 Teile auf 9 Personen aufgeteilt werden können. Hier wird in der Küche gerecht mit der Apothekerwaage gearbeitet, was man sich für die thailändische Heimat wohl überhaupt nicht vorstellen kann. Unsere Lösung, fehlende Teile nachzubestellen, schlug sich dann allerdings auch in der Rechnung wieder. Man fragt sich auch, ob die Michelin Bewertung „einfacher Standard“ auch die durchgängige Nutzung desselben Tellers und Bestecks einschließt. Dann sollte wenigstens ein Ablageteller oder ein Messerbänkchen spendiert werden. Und den Teller immer behalten zu müssen, ist auch doof: immer sitzt man vor dem benutzten Teller oder muss ihn mit Brot oder sogar dem Finger (auch schon gesehen) saubermachen. Ist eigentlich für ein Sternerestaurant ein No go und auch unhygienisch. Schade, dass solche Fragen bei manchen Gästen das gute Gefühl im Kin Dee eigentlich gut gegessen zu haben und freundlichst bedient worden zu sein, zeitweise in den Hintergrund drängt.
Ich frage mich zum Schluss: Wäre die Wertschätzung größer, gäbe es den Stern nicht ?
Kommentar schreiben
Marianne Zepernick (Freitag, 11 September 2020 15:24)
Das Konzept "Family Style" gehört m.E. nicht in ein Sternerestaurant. Unabhängig davon ist das Konzept sicher im kleineren Kreis unterhaltsam. Ein Menü mit der Wahl innerhalb der Gänge alternativ aber auch A la carte zu essen erfordert wahrscheinlich einen erhöhten Arbeitsaufwand. Sicher würde man zufriedener nachhause gehen und den Stern nicht vermissen. Nichtsdestotrotz war es ein schöner Abend!
Nicola (Freitag, 11 September 2020 16:11)
Auch, wenn wir diesmal nicht dabei waren (Geburtstag der jüngsten Tochter - sehr wichtig), schreibe ich gerne ein paar Zeilen. Die Bilder von Bernd sind wieder sehr anregend, ich freue mich, viele bekannte Gesichter zu sehen: liebe Grüße besonders auch an Inge und Jürgen! Tja und zum Thema "Family Style": ich bin auch kein Freund des Essens aus einer Schüssel. Auch, wenn alle natürlich satt werden (irgendwann - kennt man ja vom Fondue), gibt es immer ein bisschen Gerangel am "Futtertrog". Das ist nicht immer wirklich entspannend. Und klar ist das Teil der Kostenkalkulation. Weniger Geschirr und Essbesteck (ich habe auch immer mein Problem mit dem "Behalten des Bestecks": dann sollte wenigstens ein Ablageteller oder ein Messerbänkchen spendiert werden. Und den Teller immer behalten zu müssen, finde ich doof: immer sitzt man vor dem benutzten Teller oder muss ihn mit Brot oder sogar dem Finger (auch schon gesehen) saubermachen.
Und wenn man für sieben Personen das Essen für fünf bekommt, finde ich das unseriös. Die "Erfinder" dieser gemeinsamen Tafeln aus der levantinischen Küche bringen immer eher zuviel Essen auf den Tisch als zuwenig. Also hier wohl weniger ein Zeichen des familiären Tafelns als vielmehr der Kostenkalkulation. Hm, schade. Dann doch lieber ohne Stern...
Anja (Samstag, 12 September 2020 06:42)
Wenn man es unverschnörkelt, aber lecker mag, ist man hier richtig. Das heißt, etwas abgelebtes Besteck und Geschirr, sehr einfache und gar nicht mal gemütliche Sitzgelegenheiten müssen in Kauf genommen werden. Dafür wird man dann mit Köstlichkeiten verwöhnt - wenn man es ein bisschen spicy mag, denn zum Ende hin addiert sich von Gang zu Gang die Schärfe im treuen Schälchen. Das Versprechen der Bedienung, der Nachtisch sei eine Überraschung, wurde eingehalten: Eine sechzehntel Birne mit einem halben Teelöffel Kekskrokant hatte ich nicht erwartet und ließ mich ein wenig betrübt zurück. Insgesamt aber ein sehr interessantes, zur Diskussion anregendes Konzept!